500.000 Jahre in 4 Stunden erfahren
Mai 2011. Die Eiszeiten prägen bis heute die Landschaft rund um Hanau. Dies konnten die 20 Teilnehmer einer Radtour der Wetterauischen Gesellschaft nun auf einer Strecke von 10 km im Bereich Mühlheim-Dietesheim-Steinheim selbst nachvollziehen. Unter der Leitung von Dr. Günter Seidenschwann wurde die Landschaft genauer unter die Lupe genommen. Dabei ermöglichte ein Bohrstock an mehreren Stationen auch einen Blick unter die Vegetation. Tatsächlich stecken in der geringen Höhendifferenz von nur 30 m, die sich im Rahmen der Tour ergaben, sechs sogenannte Fluss- oder Schotterterrassen, die der Main während des Wechsels von Kalt- und Warmzeiten gebildet hat.
Vom Mainufer mit den Geröllen der letzten Eiszeit, die aus verschiedenen Herkunftsgebieten stammen, und Flusssand, der noch heute bei Hochwässern abgelagert wird, ging es zur nächst höheren Terrasse. Hier findet man im Boden Asche des Laacher See-Vulkans, der vor 12.800 Jahren in der Eifel ausgebrochen ist und in Böden Mitteleuropas eine wichtige Zeitmarke hinterließ. Die Unterscheidung der Terrassen kann für die Planung von hochwasserfreien Siedlungsflächen entscheidend sein, wie sich an mehreren Beispielen zeigen ließ, wo es nicht berücksichtigt wurde. Ein dekorativ am Radweg liegender großer Stein gab Anlass darauf hinzuweisen, dass im weiteren Umfeld keine Gletscher aktiv waren. Der Sandsteinblock ist deshalb auch kein "Findling" sondern ein Driftblock, den der Main mit einer Eisscholle transportiert hat.
Auf den noch höheren und älteren Terrassen konnten wiederum Gerölle gefunden werden, die teilweise in Kiesgruben abgebaut wurden. Man findet hier aber aber auch Flugsand, der während der Eiszeiten aus dem Flussbett ausgeweht wurde.
Schließlich wurden noch die Dietesheimer Steinbrüche besucht. Sie zeigen nicht nur Basalt-Lavaströme, die vor etwa 15 Milllionen Jahren aus dem Vogelsberg hierher geflossen und säulig erstarrt sind, sondern auch Verwitterungsbildungen, die im subtropischen Klima vor den Eiszeiten entstanden sind. Dass über diesen Basalten nochmals eine Flussterrasse auf dem Gailenberg bei Steinheim folgt, die 30 m über dem heutigen Niveau des Mains liegt und 500 000 Jahre alt ist, war tatsächlich überraschend. Hinweise darauf, dass auch Menschen während der Eiszeiten hier lebten, geben Steinwerkzeuge, die in einer Sandgrube gefunden wurden. Sie wurden aus Calcedon hergestellt, der zwischen den Lavaströmen zu finden ist. Aus der Position der Funde zwischen datierbaren Lagen eiszeitlicher Ablagerungen ergibt sich, dass hier Neandertaler gelebt haben, bevor der moderne Mensch eingewandert ist. Auch ohne Gletscher sind die Eiszeiten also interessant und für das Verständnis der Landschaft rund um Hanau entscheidend.
Verfasser: Kerstin Bär, Dr. Michael Barth